Viele Betroffene oder Angehörige wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen, wenn es ihnen oder ihrem Partner psychisch plötzlich oder schleichend nicht mehr gut geht. Die meisten Betroffenen fühlen sich oftmals allein und trauen sich nicht, das mit jemandem zu besprechen. Es ist leider nicht selten, dass Betroffene es über einen sehr langen Zeitraum hinweg schlichtweg ertragen, sich gedrückt und mutlos zu fühlen. Sie fühlen sich von ihren Ängsten geplagt. Betroffene können nachts nicht mehr richtig schlafen. So beginnen die Tage sich in einem Gedankenkarussel zu verfangen.
Wem es schwer fällt, seinen eigenen psychischen Zustand richtig einzuschätzen, wer sich nicht traut, seine Probleme mit seinem näheren Umfeld zu besprechen, der kann Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe aufnehmen. Zu fast jedem Problemkreis haben sich Selbsthilfegruppen gebildet, die erste Ansprechpartner sein können, wenn man Orientierung sucht.
Selbsthilfe bedeutet im Grunde, dass man dazu imstande ist, den eigenen Alltag und die damit verbundenen Herausforderungen selbstständig zu bewältigen. Die gemeinschaftliche Selbsthilfe geht aber darüber hinaus. In einer Selbsthilfegruppe schließen sich Menschen in gleichen Lebenssituationen oder mit gleichen Krankheiten freiwillig zusammen.
Selbsthilfegruppen stellen längst eine wichtige Ergänzung zur Psychotherapie dar. Sie klären Teilnehmer bei Unsicherheiten zum Krankheitswert auf. Sie sind eine Anlaufstelle, wenn es um Informationen zu Hilfsangeboten und Kontaktdaten geht. Sie unterstützen Betroffene dabei, Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz zu überbrücken.
Seit dem Jahr 2018 gestalten beispielsweise die Selbsthilfekoordination Bayern und die Psychotherapeutenkammer Bayern gemeinsam Veranstaltungen, um die Zusammenarbeit zwischen Psychotherapeuten:innen, Selbsthilfekontaktstellen und Selbsthilfegruppen zu unterstützen. Dabei geht es vor allem auch darum, Psychotherapeut:innen über die Arbeit von Selbsthilfegruppen und – kontaktstellen zu informieren und Anregungen zu geben, wie Selbsthilfe für Patient:innen nutzbar gemacht werden kann und wie Psychotherapie und Selbsthilfe zusammenarbeiten können.
Selbsthilfegruppen bieten Betroffenen die Möglichkeit, sich offen über ihre Erfahrungen, Probleme, aber auch Erfolge auszutauschen. Da alle Gruppenmitglieder unter dem gleichen Problem leiden, weiß jeder genau, wovon der Einzelne spricht. Viele Menschen fühlen sich in einer Selbsthilfegruppe zum ersten Mal im Leben wirklich verstanden.
Durch die regelmäßigen Treffen empfinden sich Betroffene weniger isoliert und einsam. Neben den regelmäßigen Gruppentreffen können sich auch gemeinsame Aktivitäten und private Kontakte entwickeln. Außerdem bekommen viele durch die Gruppe ganz konkrete praktische Unterstützung.
Dass Selbsthilfe eine große Wirkung erzielen kann, ist wissenschaftlich belegt. Im Rahmen der vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten SHILD-Studie beispielsweise wurden zwischen den Jahren 2012 und 2018 rund 5000 Mitglieder von Selbsthilfegruppen befragt. SHILD steht für Suchtselbsthilfe in Deutschland. Fragen waren unter anderem, wie die Selbsthilfe auf sie wirkt, welche Ziele sie verfolgen und wer überhaupt Selbsthilfegruppen besucht. So gaben acht von zehn Befragten an, sie seien dank der Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe motivierter und zuversichtlicher, was den Umgang mit ihrer Krankheit angeht. Die Studie können Sie herunterladen.
In einer Selbsthilfegruppe erfahren Teilnehmer emotionale Unterstützung und Zuversicht in schwierigen Situationen. Der Austausch in der Gruppe kann das Selbstwertgefühl und den Zusammenhalt stärken.
- Erfahrene Teilnehmer:innen geben ihre Laienkompetenz weiter.
- In der Gruppe können sich die Teilnehmer:innen offen über Behandlungsmethoden, Medikamente, Hilfsmittel, Therapien oder über Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen austauschen.
- Der regelmäßige Austausch in der Gruppe führt zu einem besseren Umgang mit den Problemen oder der Erkrankung im Alltag. Die Teilnehmer:innen fühlen sich kompetenter, mit Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen über ihr Anliegen zu sprechen.
- Das Aufgehobensein in der Gruppe und der Kontakt zu Ansprechpartnern, von denen man sich wirklich verstanden fühlt, heben die soziale Isolation auf, unter der viele Betroffene leiden.
- Häufig verbessert sich der Gesundheitszustand von Teilnehmer:innen einer Selbsthilfegruppe.