Genesungsbegleiter – was steckt dahinter

Immer wieder werde ich gefragt, was eigentlich der Genesungsbegleiter genau ist und was er macht. Selbst Mitarbeiter in psychiatrischen Einrichtungen, Pfleger, ja Psychologen und Psychiater fragen nach. Immer wieder kommt die Frage, wie denn Erkrankte bzw. Betroffene neben ihrer eigenen Belastung einen Ausweg aus einer Krise aufzeigen wollen. Wie schnell erkennbar wird, gibt es selbst unter den Profis Unsicherheiten über unsere Tätigkeit. Oder ist es eher Unwissenheit? Ich denke ja. Wir erfahren auch immer wieder, wie die Schienen der „alten“ Psychiatrie eingefahren sind. In Sachen Depression sprechen Sie von einer Volkskrankheit. Die Medien, die Presse und selbsternannte Psychologen haben eine neue „Spielwiese“ gefunden. Diese Gruppierungen verurteilen die Depression oder depressive Menschen oft ohne die Ursache dahinter zu sehen. Bei Strafttaten wird schnell die Diagnose psychisch krank in den Raum und als Generalursache hingestellt. Da entsteht doch ein sehr schiefes Bild.

Jahrzehnte der Stigmatisierung war lang genug ein Thema. Jetzt kommen da Betroffene, die nach einer einjährigen Ausbildung als „neue“ Variante der Genesungsunterstützung auftreten. Genesungsbegleiter – Experten aus Erfahrung. Ja klar, denn jeder der einen Beruf ausübt, sammelt die größten Erfahrungen während seiner Tätigkeit. BERUFSERFAHRUNG nennen wir das! Eine psychische Erkrankung ist kein Beruf? Stimmt, aber Erfahrungen sammelt jeder Betroffene, wie in einem Beruf. Egal in welcher Krankheit! Erfahrungen, die ein Nichtbetroffener nie sammeln kann. Die Profis reagieren im Endeffekt auf Hörensagen, also Aussagen des Betroffenen und dann im wesentlichen auf Empfehlungen der Schulmedizin. Das bedeutet, dass ein Genesungsbegleiter über einen Erfahrungsschatz verfügt, der einmalig ist, den nur ein Betroffener haben kann. Würden Sie einem Lehrling als Klempner eher vertrauen oder einem durch Berufserfahrung geprägtem Gesellen?

Was also macht eigentlich ein Genesungsbegleiter oder wo liegt sein Ansatz? Ich möchte das gern ganz kurz erläutern, erläutern an dem, was unsere Genesungsbegleiter der Arbeitsgruppe aus ihrer persönlichen Erfahrung heraus anbieten und worauf unsere Komepetenzen zurückführen:

Wir sind zertifizierte Experten aus Erfahrung (nach einer Ausbildung) in der Bewältigung von seelischen Krankheiten und Krisen. Wir bieten Austausch und Begleitung auf Augenhöhe. Wir haben unsere Erfahrungen reflektiert und uns in der Ausbildung Handwerkszeug erarbeitet, um andere in ähnlichen Situationen begleiten zu können. Wir sind in vielen verschiedenen Krankheitsbildern erfahren (Depressionen, Burnout, Sucht, Angst, Persönlichkeitsstörungen, Trauma, Bipolare Störungen, Psychosen etc.). Wir sind Hoffnungsträger, weil wir ein lebendiges Beispiel für Genesung geben. – Wir können einen anderen Zugang zu Menschen in psychischen Krisen finden, sie können Übersetzungshilfen leisten und genießen möglicherweise einen Vertrauensvorschuss. Wir haben eine erhöhte Sensibilität und Empathie gegenüber Betroffenen aufgrund von eigener Erfahrung. Wir haben eine authentische Wirkung auf Betroffene.

Welche Vorteile bietet die Genesungsbegleitung im Wesentlichen? Genesungsbegleitung hat Vorteile für mehrere Seiten. Durch eine Beteiligung von Genesungsbegleiter/Innen orientiert sich die Behandlung zum Beispiel stärker an den Bedürfnissen der Klienten. Gegenüber Angehörigen und Fachleuten können Genesungsbegleiter die Perspektive des Erkrankten gut vermitteln, weil sie aufgrund ihrer eigenen Erfahrung wissen, wovon ein Erkrankter spricht. Sie schließen zudem Lücken in der Vor- und Nachsorge vor bzw. nach einem Psychiatrieaufenthalt, indem sie als Bezugspersonen für die Betroffenen da sind. Durch ihr Erfahrungswissen erkennen sie in der Regel früher, wenn jemand auf eine Krise zusteuert und können stationäre Aufenthalte im Vorfeld oft abwenden. Aufgrund der eigenen Therapieerfahrung können sie Betroffene vom Vorteil und Nutzen der Behandlung überzeugen und eventuelle Ängste wie etwa vor Medikamenten mindern oder die Bedeutung von Diagnosen verständlich machen. Dadurch wird eine größere Kooperationsbereitschaft der Betroffenen mit den Behandlungsmethoden erreicht, der Erfolg der Behandlungen erhöht und die Länge eines stationären Psychiatrieaufenthalts verringert.

Genesungsbegleitung führt insgesamt zu einer Entlastung der beteiligten Organisationen und Angehörigen. Welche Erfahrungen haben bisher Klienten mit Genesungsbegleitern gemacht? Klienten berichten von positiven Erfahrungen, etwa dass Genesungsbegleiter ihnen dabei helfen ihre soziale Isoliertheit zu überwinden und sich nicht alleine zu fühlen. Weiterhin fühlen sich die Klienten häufig emotional von ihnen unterstützt. Sie fühlen sich verstanden und wertgeschätzt, weil ihnen Genesungsbegleiter Anerkennung vermitteln, was ihr Selbstwertgefühl stärkt. Viele Klienten berichten, dass Genesungsbegleiter in ihnen das Gefühl auslösen, sich normal und nicht abgelehnt zu fühlen. Da Genesungsbegleiter von ähnlichen Erfahrungen erzählen, geben sie den Klienten Hoffnung auf Genesung. Die Klienten fühlen sich ermutigt nicht aufzugeben, weil Genesungsbegleiter ihnen zeigen, dass ein Leben mit einer Diagnose möglich ist. Die selbst erlebten Erfahrungen machen Vorschläge seitens der Genesungsbegleiter zudem glaubhaft. Einige Klienten berichten von lehrreichen Hinweisen, wie sie sich selbst helfen können, was sie für ihr tägliches Wohlbefinden tun und wie sie ihre Frühwarnzeichen und Auslöser erkennen können. Andere Klienten empfinden auch Ratschläge, wie sie gegenüber den Fachleuten für sich selbst eintreten können als hilfreich.

In unserer Arbeitsgruppe erfolgt besonders in den Selbsthilfegruppen ein reger Austausch von Erfahrungen. Wir als Genesungsbegleiter geben gezielt weiter, was uns geholfen hat und wie ein Ausweg aus einer Krise aussehen könnte.

Experten aus Erfahrung eben!