Mein ABC der Genesungsbegleitung – P, wie Phobophobie Teil 2

Wie ich bereits im 1. Teil erläutert hatte, ist die Angst vor der Angst ein Thema, welches auch unser körperliches Wohlbefinden enorm beeinflussen kann. Wenn wir Angst haben, fühlen wir uns in der Regel nicht wohl. Als depressiv Betroffener ist es ja nicht so, dass wir „mal“ Angst haben, sondern uns sehr oft die Ängste beherrschen. Das ist dann so ein Mix, ein gefährlicher Mix.

Angst haben zu können ist generell ein wichtiger Vorgang, so eine Art Warnsignal. Angst bewirkt zwei mögliche Reaktionen: Die Amygdala (auch als Mandelkern bezeichnet) im Gehirn schickt ein Signal an die Nebennieren, die Stresshormone, Adrenalin und Cortisol ausschütten. Die Nebennieren schütten also Stresshormone aus und es passiert, was wir als Angst fühlen können: Atmung und Puls werden beschleunigt, der Blutdruck steigt, die Muskeln sind angespannt, die Pupillen geweitet, die Sinne sind geschärft.

Der Körper ist bereit für Flucht oder Kampf.

Bleibt dies aus, erstarrt der Körper. An wann bleibt dies aus? Während des Stresszustandes schüttet der Körper eben nach bedarf Adrenalin und Cortisol aus. Der Körper empfindet dies als unterstützende Maßnahme. Wenn wir uns jedoch im Dauerstress befinden, gibt es auch eine Dauerausschüttung dieser Botenstoffe. Der Körper ist irgendwann einfach übersättigt und was uns helfen soll unterstützt uns nicht mehr. Er hat sich daran gewöhnt. Der unterstützende, kräftigende, ja manchmal sogar rettende Faktor ist nicht mehr gegeben.

Um Reize von außen zu verarbeiten, läuft im Gehirn ganz vereinfacht folgender Prozess ab:

Wir nehmen über Riechen, Hören, Schmecken, Sehen oder Fühlen einen Reiz bzw. eine Information auf. Der „normale“ Weg einer Informationsverarbeitung im menschlichen Gehirn ist wie folgt: Wir nehmen über eines unserer Sinne (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen) einen Reiz bzw. eine Information von aussen auf (siehe Grafik 1). Diese wird anschließend analysiert, wir treffen eine Entscheidung und speichern diese Entscheidung im Mandelkern ab. Danach fürhen wir diese Entscheidung aus. Beispiel: Wir sehen eine giftige Schlange. Im Bruchteil von Sekunden nehmen wir das als Gefahr wahr. Das Gefühl Angst wird aktiviert und sorgt in der Regel für die Entscheidung Flucht. Um eine schnellere Flucht zu ermöglichen werden eben diese Botenstoffe Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet. Wir können schneller flüchten, denn die Atmung, das Herz und die Muskulatur wurden unterstützend versorgt. Wir können uns der Gefahr entziehen.

Diese Ausschüttung der Botenstoffe gibt es jedoch auch im Stresszustand. Der gleiche Ablauf, wie bei der Gefahr. Unterstützend werden Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet. Wir fühlen und sicherer und stärker.

Doch wie ist das, wenn wir uns, wie unter dem Einfluss der Depression im Dauerstress befinden. Dann werden wir mit diesen Botenstoffen überschüttet und sie verlieren ihre eigentliche Wirkung. Was uns unterstützen und helfen soll, wird nun auf einmal zu einer Belastung, denn der Körper kann nichts mehr damit anfangen. Im Gegenteil. Dieser Überschuss zwingt den Körper dazu andere Botenstoffe auszuschütten, um das Überleben des Körpers zu sichern. Bei einer Stressreaktion wird viel Energie sichergestellt, um eine entsprechende Reaktion zu ermöglichen: Angreifen, Fliehen oder Erstarren. Außerdem wird zwischen akuten und fortwährenden Belastungen beziehungsweise Stresseinwirkungen unterschieden.

Der Mensch fokussiert sich ausschließlich auf die Gefahrensituation. Bestimmte Körperprozesse werden unterdrückt, da sie in einer Stresssituation als unnötig oder einschränkend bewertet werden. Beispielsweise werden die Sexualfunktionen und Verdauungsprozesse verringert. Ein weiterer „nicht erforderlichen Punkt“ ist die Arbeitsfähigkeit des Gehirns bzw. bestimmter Regionen des Gehirns (siehe Grafik 2). So gehört die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen nicht zu einem lebensnotwendigen Prozess. Dies bezieht sich natürlich nur auf den biochemischen Bereich. Von einer einheitlichen Stressreaktion kann man nicht sprechen, weil die Art und die Mechanismen der Reaktion auf den körperlichen und psychisch einwirkenden Stress je nach Art des Stressors und die daraus ergebene Emotion abweichen.

Jeder der Betroffenen kennt sicherlich die Situation, dass wir eigentlich genau wissen, was zu tun ist. Aber es geht nicht! Das ist noch nicht das eigentliche Problem. Schlimmer ist, dass wir nicht verstehen, warum es nicht geht. Du siehst die Lösung vor Dir. Du weißt eigentlich, wie es gemacht wird, aber Du kannst nicht. Blockade! Hilfslosigkeit! Neue Ängste! Du brauchst es nicht weiter versuchen, denn dadurch entsteht neuer Stress, entstehen neue Ängste und gegebenfalls sogar Panik! Jetzt gibt es erst einmal nur eine Lösung: Nichts erzwingen, raus aus dieser Situation. Diese Situation also sofort beenden! Ansonsten wird es immer schlimmer, baut sich die Angst immer weiter auf.

Genau diese Angst ist es, die auch weitere Beschwerden, weitere Krankheitssymptome hervorbringen.

Wann kann uns Angst krank machen?

Angst wird zur Krankheit, wenn sie ungewöhnlich lange anhält, die Betroffenen sie nicht mehr kontrollieren können und für Außenstehende keine objektive Ursache erkennbar ist. Manchmal sind Betroffenen sich ihrer Angst noch nicht einmal bewusst, da sie nur die körperlichen Symptome beachten.

Mehr dazu im Teil 3!