Mein ABC der Genesungsbegleitung – M, wie mitmachen

Da steh ich nun mit meiner Depression und weiß nicht weiter. Das kommt vor meinen Sie? Da haben nur Betroffene Probleme damit, meinen Sie? In erster Linie ist das wohl richtig und doch ist es falsch. Sie haben die Depression und können damit nicht umgehen. Das ist vollkommen verständlich, denn die Depression kann mich lebensunfähig machen. Die Ursachen für diesen Zustand haben wir bereits mehrfach aufgezeigt. Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Ängste, körperliches Missempfinden, suizidale Gedanken und vieles mehr. Gedanken kreisen im Kopf, ohne dass wir sie fassen können. Ein wichtiger Hintergrund für diese unerträglichen Zustände ist sehr oft die Unwissenheit über meine Krankheit. Was passiert da eigentlich mit mir? In den Kliniken und leider oft bei den Profis erfahren wir „nur“, dass wir krank sind und welcher Diagnose evtl. zugeordnet werden. Ich habe mich beim ersten Mal gefühlt, als wäre ich ein Blatt, was in einen Schnellhefter abgelegt wird.

„So, nun bin ich also krank! Das wusste ich doch aber schon vorher. Warum sagt mir eigentlich niemand, was genau da mit mir passiert? Warum erfahre ich nicht, was da in meinem Körper vor sich geht?“ In der Regel bekomme ich dann erst einmal Psychopharmaka, um mich runterzufahren. Ich bezweifle grundlegend nicht, dass eine medikamentöse Unterstützung helfen kann. Ich bin auch der Überzeugung, dass der medizinische Hintergrund unbedingt erforderlich ist, um eine fachgerechte Ursachenforschung zu betreiben. Ich weiß dann in der Regel, was ich habe. Weiß ich das oder hat das „Ding“ jetzt einfach nur einen Namen. Breche ich mir ein Bein oder habe eine andere Verletzung, wird mir durch den Arzt breit und lang erklärt, was passiert bzw. „kaputt“ ist und welche Auswirkungen das auf meine nächsten Tage und Wochen hat. Doch, warum funktioniert das nicht (bzw. nur in seltenen Ausnahmen) wenn wir psychisch erkrankt sind?

Es würde mir doch helfen, zu verstehen, was da in meinem Körper geschieht. Dann könnte ich mir und meinen Angehörigen, Freunden und Kollegen eine Erklärung dafür geben, warum es mir so geht. So habe ich nicht einmal für mich Antworten! Antworten, die mir sagen, dass der Körper unter Dauerstress nicht richtig funktioniert. Da kann ich machen was ich will! Kennen Sie das Gefühl, dass ich eigentlich genau weiß, was zu tun ist, aber es geht nicht!? Das Schlimmste dabei ist, dass ich auch nicht weiß, warum es nicht funktioniert! Wie will ich das denn Anderen um mich herum erklären, wenn ich es doch selbst nicht weiß! Wie will ich Ihnen erklären, dass scheinbar nur der Suizid der richtige Weg scheint? Ich verstehe es doch selbst nicht. Genau diese Hilflosigkeit ist aber der Grund!

Statistiken zeigen inzwischen auf, dass nicht nur Betroffene diese Probleme der Hilflosigkeit haben. Auch die Angehörigen, Freunde und Kollegen können dieses Problem haben! Sie wollen uns nicht weh tun! Machen deshalb oft gar nichts oder schauen scheinbar darüber hinweg. Im Inneren sieht es anders aus! Sie sehen doch, dass es uns schon schlecht geht, möchten diesen Zustand nicht noch verschärfen.

Wo genau möchte ich eigentlich hin, fragen Sie sich? Ich glaube, dass es wichtig ist umzudenken und mein Umfeld mit einzubeziehen. Ich kann nicht Menschen mit einbeziehen, denen es egal zu sein scheint. Ich kann nicht Menschen mit einbeziehen, die lieber alles von sich wegschieben, ja sogar Angehörige verleumden. Glauben Sie mir, auch das ist oft Hilflosigkeit oder sogar Angst. Hilft uns nicht. M, wie mitmachen ist das Thema der heutigen Ausgabe.

Bevor ich jemanden dazu bewegen kann aktiv mitzumachen, muss ich jedoch erklären können, was genau eigentlich mit mir passiert. Was aber, wenn ich es doch selbst nicht weiß, geschweige noch erklären kann? Einigeln, Verstecken, Maske aufsetzen etc.! Es gibt viele Möglichkeiten, die wir uns angewöhnt haben. Möglichkeiten zu haben bedeutet jedoch auch, Lösungen zu haben. Haben wir auch, nutzen nur die Falschen! Wir müssen aktiv daran etwas ändern. Wir selbst! Dann können wir auch anderen erklären und um Hilfe bitten. Hilfe zur Selbsthilfe. Es gibt inzwischen viele Gruppierungen und Institutionen, die sich auf die Fahne geschrieben haben, erst einmal aufzuklären und aufzuzeigen, was da genau im Inneren mit uns passiert. Verständnis für das was mit mir passiert, dann eine Lösung finden – dass ist auch die Arbeitsweise unserer Arbeitsgruppe Depression e.V. Unsere Erfahrungen und Emotionen sind ein Schatz. Jede(r) Betroffene hat diesen Schatz in sich. Wir teilen diesen Schatz in unseren Gruppen und Gesprächen, sehen oft gemeinsame Berührungspunkte. Mit großen Staunen erfahren unsere Teilnehmer, dass trotz unterschiedlicher Ursachen gleiche Emotionen und Erfahrungen vorhanden sind. Oft kommt dann der Satz: „Mir tut das hier so gut, weil ich gemerkt habe, dass es auch anderen Betroffenen so geht!“

Dieses Gefühl der Hilflosigkeit haben auch andere Betroffene, aber auch Angehörige, Freunde und Kollegen. Darum ist es wichtig mitzumachen! Mitzumachen, um zu verstehen und einen gemeinsamen Weg zu finden!