Mein ABC der Genesungsbegleitung
E – wie Empathie
Empathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Empfindungen, Emotionen, Gedanken, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden. Ein damit korrespondierender allgemeinsprachlicher Begriff ist Mitgefühl.
Grundlage der Empathie ist die Selbstwahrnehmung – je offener eine Person für ihre eigenen Emotionen ist, desto besser kann sie auch die Gefühle anderer deuten.
Soweit die rein nüchterne Erklärung. Doch ist es wirklich so einfach und nüchtern zu sehen? Im Grunde ist die Empathie also das Wahrnehmen der Gefühle anderer Menschen. Doch dazu muss ich selbst Gefühle erlebt bzw. durchlebt haben. Dazu muss ich selbst in der Lage sein, meine Gefühle zu erkennen und auch einzuordnen. Können depressiv Betroffene ihre Gefühle überhaupt wahrnehmen und sie auch noch einordnen? Ich möchte sagen wahrnehmen ja, einordnen …. hm. Ich möchte da einmal von mir aus gehen. Ja klar, habe ich meine Gefühle wahrgenommen. Mit dem Verstehen ist das so ein Ding. Für mich stand ja in der Depression die Frage, ob ich es überhaupt wahrnehmen wollte. Sie haben mir ja nur Schmerzen bereitet, meine Gefühle. Das sollte ich jetzt auch noch nach Außen zeigen? Unmöglich! Ich wollte gar nicht, dass andere Menschen sehen, wie ich mich fühle? Oder wollte ich das doch, habe mich aber nicht getraut? Nicht getraut, aus der Angst heraus für meine Schwächen auch noch niedergemacht zu werden. Ich habe oft genug gespürt, dass es niemanden interessiert hat. Selbst meine eigene Familie nicht. Beschimpfungen, falsche Mitleidsbekundungen und Ratschläge wie, „bleib doch ruhig“, „mach mal Urlaub“, iss mal ein Stück Schokolade, ist gut für die Nerven“ oder “reiße Dich mal zusammen“, „Du bist doch nur faul. Geh arbeiten, dass lenkt ab“! Diesen Menschen sollte ich sagen, wie es mir geht? War das die Empathie der anderen, die mir helfen sollte? NEIN!
Das hätte vorausgesetzt, dass diese „falschen Berater“ verstehen, was mit mir passiert! Dazu hätten Sie mir zuhören müssen. Stattdessen Anklage, Vorverurteilungen und Stigmatisierung!
Sie hätten Empathie zeigen und sich mir gegenüber vertrauensvoll verhalten müssen. Ich möchte Sie gar nicht verurteilen. Sie wussten es nicht besser. Ich mache es mir einfach meinen Sie? Sollte ich diese Menschen, die mein Leid nicht erkannten oder nicht erkennen wollten auch verurteilen? Ehrlich gesagt habe ich das am Anfang versucht. Hat es mir geholfen? NEIN!
Wie ist das jetzt also mit der Empathie? Oben steht, dass die Grundlage für die Empathie die Selbstwahrnehmung ist. Ja, es ist so! Erst wenn ich selbst erkenne, was mit mir ist, kann ich Empathie wirklich wahrnehmen. Bedeutet, nur weil andere Menschen nicht empathisch sind, muss ich auch so sein? Ich habe damit begonnen, meine Gefühle für mich wieder zuzulassen. Mir wurde wieder wichtig, was ich fühle. Nicht das, was andere wollten das ich das fühle, was ich fühlen sollte! Mitgefühl für mich. Klingt egoistisch? Ist denn der Egoismus generell falsch. Ein gesunder Egoismus, der mir zeigt, dass ich ich bin, ist sehr wichtig. Wenn ich nicht anderen zeige, dass ich empathisch sein kann, wie kann ich es dann von anderen verlangen? Sich selbst verstehen, sich selbst akzeptieren sind die ersten Schritte aus einer Krise. Sehr oft war das Gefühl da, als hätte keine Ressourcen mehr. Meine Ressourcen waren noch da, die verliert du nicht. Nur abrufen ist verdammt schwer. Hier beginnt ein Kreislauf. Wenn ich mir nicht vertraue, wenn ich nicht an mich glaube, glaube, dass ich keine Kraft mehr habe, kann ich meine Ressourcen nicht sehen! Der Glaube an mein Versagen, meine Hilflosigkeit endet unweigerlich in der Leere! Mein Körper beginnt mich zu schützen. Die Angst zu Versagen lähmt mein Gehirn. Nicht nur im Geiste sondern auch biochemisch. Das Gehirn lernt deine Abläufe, leider auch die des Aufgebens, der Verzweiflung etc. Doch genauso, wie man diese Abläufe erlernen kann, kann man sie sich auch wieder abgewöhnen. Ich habe wieder gelernt auf meine Ressourcen zurückzugreifen. Heute musste ich akzeptieren, dass mir von meiner Leistungsfähigkeit von „damals“ nur noch 40 % geblieben sind. Na und! Ich bin krank, na und! Dann sind eben diese 40 % meine neuen 100 %! Aber das kann ich leisten!
Was das Alles mit Empathie zu tun hat? Ich habe auch wieder gelernt zu vertrauen! Meine Selbstwahrnehmung ist wieder ein fester Bestandteil meiner Selbst! Selbstwahrnehmung als Grundlage für die Empathie, meiner Empathie, vor allen Dingen auch mir Selbst gegenüber! Ich habe viele Striche gezogen. Musste viele Menschen aus meinem Leben streichen. Menschen, die mir nicht gutgetan haben. Ich will meine Fehler, die ich gemacht habe, nicht damit entschuldigen, dass ich nicht früher etwas für mich hätte tun müssen. Ich will auch niemanden Schuld geben. Das soll jeder mit sich selbst ausmachen, ob er sich mir gegenüber richtig verhalten hat oder nicht! Aus welchen Gründen auch immer! So, wie ich erkennen musste, welche Fehler ich gemacht habe! Für einige habe ich hart büßen müssen. Ich habe jedoch etwas unternommen! Das hat jedoch erst damit angefangen, als ich versucht habe mich selbst wieder wahrzunehmen.
Heute möchte ich sagen, dass ich nach diesem Neustart vieles richtig gemacht habe, denn ich habe es für mich getan. Heute habe ich die Einstellung, dass das was hinter mir liegt, wie ein Buch ist, dass geschrieben wurde. Ich kann es nicht mehr ändern. Will ich auch nicht.
Empathie ist die Grundlage zu verstehen, mitzufühlen, einordnen zu können. Ich mir selbst gegenüber! Erst, wenn Du wieder in der Lage bist dir selbst in die Augen zu schauen, dir selbst zu vertrauen, wirst Du in der Lage sein, Empathie zu zeigen und Empathie zu empfangen! Empathie ist für mich der Baustein, um aus der Krise heraus zurück ins Leben zu finden!