Mein ABC der Genesungsbegleitung
B- wie Beratung und Begleitung
Beraten und begleiten sind Eckpfeiler der Genesungsbegleitung. Jeder Mensch, egal ob Betroffener oder nicht, wünscht sich in seinem Leben Unterstützung, Geborgenheit und Dazugehörigkeit. Diese kann durch den Partner, die Familie, die Kinder und Freunde gegeben werden. Dazu kommen Kollegen, einfach nur Bekannte oder Zufallsbegegnungen. Hauptsächlich wünschen wir uns, dass wir akzeptiert werden, wie wir sind. Unabhängig davon, ob wir erkrankt sind oder nicht, ob wir „Macken“ haben oder einfach nur nicht in das „Normalo-Schema“ passen. Ein Wunsch, den jeder Mensch, jedes Individuum auf der Welt hat. Leider sieht die Wirklichkeit oft anders aus! Rassismus, Unterdrückung, Mobbing, Gewaltausbrüche ……! Die Liste der „Nicht-Normalo-Schemen“ ist sehr lang. Wir als Betroffene leiden vor allen Dingen unter der Stigmatisierung, dem Unverständnis, der Hilflosigkeit.
Boah, …. klingt schön weit weg von der Normalität. Was ist eigentlich normal? Wer bestimmt, was normal ist? Die Gesellschaft? Die selbsternannten Stimmungsgurus? Die Medien? NEIN!!! Wir selbst bestimmen was normal ist! Ich entscheide für mich, was ich als normal empfinde! Ohne mich unter Druck setzen zu lassen. Unter Druck setzen zu lassen, von der „Welt, die doch alles richtig macht“!? Wenn das normal ist, möchte ich nicht normal sein. Dann verzichte ich freiwillig darauf, mich als normal einstufen zu lassen. Diese Normalität ist erkrankt. Erkrankt an der Selbstherrlichkeit gewisser Gruppen, die sich herausnehmen zu entscheiden, in welche „Gruppierungen“ sich Menschen einteilen lässt. Sind wir in einem System gefangen, das nur vorgefertigte und als gut befundene Gruppierungen zu lassen? Oder scheitert es eher daran, dass der Sinn für die Menschlichkeit im Wesentlichen verloren gegangen ist. Jeder beschäftigt sich mit „seinem Problem“? Fühlt sich nicht gut an. Dabei liegt doch die Kraft in der Gemeinsamkeit. Dazu muss ich jedoch zuhören wollen, mich öffnen wollen, mich integrieren wollen. Ich muss eben wollen. In der Psychiatrie scheitert das Zuhören können oft am System. Eingefahrene Wege sind scheinbar schwer zu verlassen. Jetzt kommt da von außen eine Gruppe, die sich Genesungsbegleiter nennt. Menschen, die selbst betroffen sind oder Betroffene waren. Menschen, die Wege aus einer Krise kennen, weil sie sie selbst erlebt oder durchlebt haben. Krisenerfahrungen also!
Genesungsbegleitung bedeutet recht nüchtern betrachtet – basiert auf der Überzeugung, dass Menschen, die psychische Krisen durchlebt haben, diese persönlichen Erfahrungen nutzen können, um andere Menschen in ähnlichen Situationen zu verstehen und zu unterstützen.
Aus diesem persönlichen Verständnis heraus kann ein Genesungsbegleiter beraten oder begleiten. Gemeinsam erarbeiten Genesungsbegleiter mit Betroffenen einen aktiven Weg aus einer Krise. Individuell angepasste Wege aus einer Krise. Dazu reden Beide erst einmal über das Momentum! Zuhören also! Das ist die Sache, die ich oben erwähnt habe. Zuhören ist die Grundlage des Verstehens! Der Genesungsbegleiter berät den Betroffenen auf Grund seiner Erfahrungen, die er im Umgang mit seiner Krise gemacht hat. Sie werden staunen, wie oft sich der Ablauf der Krise ähnelt, obwohl andere Ursachen der Auslöser waren.
In der Beratung zeigt der Genesungsbegleiter auf, wie der Betroffene einen eigenen Weg aus seiner Krise finden kann. In der Regel beginnt es auch hier mit der Aufarbeitung des bisherigen Weges, um über Parallelen Erfahrungen auszutauschen. Genesungsbegleiter sind keine Therapeuten, sprechen aber die Sprache der Betroffenen, weil eine Sichtweise besteht, die Psychiater, Psychologen oder andere Profis nicht haben können. Es ist fast so, als würden wir mit einem Handwerker über seine Berufserfahrung reden. Es ist ein anderes Verständnis da.
Begleiten – bereits mit dem ersten Gespräch, mit dem Erfahrungsaustausch begleiten wir den Betroffenen. Er bekommt oft mehr Verständnis für die Ursachen, ist bereit seine Krise, seine Krankheit zu akzeptieren. Erst mit der Akzeptanz kann ein neuer Weg beginnen.
Wir sehen uns darum auch als Lebensbegleiter, denn wenn der Betroffene es möchte, werden wir gemeinsam einen Weg finden, beraten und begleiten.