Ich kann es nicht mehr ertragen….
Was auf den ersten Blick wie Aufgabe aussieht, ist für mich eher eine Aufgabe geworden. Zweimal das Wort Aufgabe und doch so unterschiedlich! So unterschiedlich, wie die Ursachen, die eine Aufgabe seiner selbst nach sich ziehen können. Genau hier beginnt dieser Beitrag.
Ehrlich gesagt habe ich die „Schnauze“ voll. Ich bin nicht gewillt einen anderen Ausdruck dafür zu benutzen. Ich möchte von vornherein klarstellen, dass es mir nicht um Schuldzuweisungen geht. Das Wort „Schuld“ möchte ich eigentlich komplett aus meinem Wortschatz streichen. Das Wort „Schuld“ hat genau die negative Anhaftung, die ich vermeiden möchte.
Die Definition allein bestätigt warum: Schuld, Substantiv, feminin
– Ursache von etwas Unangenehmem, Bösem oder eines Unglücks, das Verantwortlichsein, die Verantwortung dafür
– Beispiele: „die Schuld liegt bei mir“, „immer soll ich an allem Schuld haben!“
– bestimmtes Verhalten, bestimmte Tat, womit jemand gegen Werte, Normen verstößt; begangenes Unrecht, sittliches Versagen, strafbare Verfehlung.
Das ist die trockene und doch so verletzende Definition von Schuld. Muss denn überhaupt jemand Schuld haben? Warum wird die jeweilige Sache nicht so hingenommen, wie sie ist? Es ist doch schon geschehen!
Ganz so einfach geht es dann wohl doch nicht, denn es gibt ja auch noch die Gesetze und die schreiben genau vor, wer oder was eine Schuld hat oder ist! Ja das Rechtssystem. Logische Schlussfolgerung – muss sein!
Die unerträgliche Vorgehensweise und Stigmatisierung durch die Medien!
Doch wie ist es mit der Schuld im „normalen“ Leben? Das zwischenmenschliche Miteinander prägt unser Zusammenleben, unser Zusammensein. Ich bewege mich bewusst in dieses Gebiet, denn hier liegt mein Grund für die Überschrift zu diesem Beitrag! Ich musste diese lange Einleitung wählen, da es leider immer noch Menschen gibt (leider auch noch der größte Teil), die es sich mit der Schuld ganz leicht machen. Den größten Beitrag dazu leisten unsere Medien, die leider inzwischen zu einem Organ der öffentlichen Verunglimpfungen und Schuldzuweisungen geworden sind. Nun finde ich auch den Sprung zum Grundthema, der Depression. Die öffentlichen Darstellungen haben immer noch ein so verschobenes Bild, dass fast jede „unfassbare“ Tat von psychisch kranken Menschen durchgeführt worden sein soll.
Ich habe manchmal das Gefühl, als hätte (lt. Darstellung der Medien) jeder psychisch Erkrankte eine Maschinenpistole oder Granate in der Tasche. Mindestens jeder Zweite trägt ein Messer bei sich. Das ist übertrieben meinen Sie? Sehen Sie sich Berichterstattungen im TV an. Der Schlusssatz einer Berichterstattung über eine Straftat lautet sehr oft: „es wird eine psychische Erkrankung vermutet!“.
WANN HÖRT DIESER WAHNSINN AUF???
Liebe Medien – eure Stigmatisierung bestärkt viele Menschen darin, psychisch kranke Menschen vorzuverurteilen, in eine Schublade zu schieben. In eine Schublade mit wirklichen Verbrechern etc.!
Doch, wie fühlen wir uns dabei? In unserer Arbeit als Genesungsbegleiter begegnen uns täglich Betroffene, die genau unter diesem Stigma leiden und daran zerbrechen. Dieses Stigma setzt sich jedoch fort. Die eigene Familie, Angehörige, Freunde und Kollegen grenzen sie aus, wenden sich von ihnen ab. Aussagen wie „wir verstehen Dich nicht mehr“, „reiße Dich doch mal zusammen“ oder noch viel schlimmer „Du bist doch selbst schuld“ prägen den Alltag. Das geht dann so weit, dass die Betroffenen selbst daran glauben und die Schuld bei sich suchen!
Da ist es wieder, dass Ding mit der Schuld. Schreckliches Wort! Statt Hilfe ernten wir Vorhaltungen! Die eigene Familie schließt die Betroffenen aus. „In unsere Familie gibt es keine psychisch erkrankten Menschen. Was sollen die Leute von uns denken? Menschen wie Dich wollen wir nicht in unserer Familie! Wir sind eine „Normale Familie!“ Wenn das normal ist, dann will ich ehrlich gesagt nicht normal sein! Habt Ihr einmal darüber nachgedacht, wie wir uns fühlen? Wir leben mit großen Ängsten, Versagensängsten und dem Gefühl alleingelassen zu werden. Alleingelassen von der eigenen Familie. Den Menschen, die mich auf die Welt gebracht haben, eigentlich zu mir stehen sollten, mir helfen sollten! Alleingelassen, von Ehepartnern, Geschwistern und Freunden. Habt Ihr Angst vor uns? Wir sind nicht ansteckend. Wir haben keinen Virus. Wir haben das Problem, dass wir mit der Welt um uns herum nicht klarkommen. Nicht klarkommen, weil wir eurer Meinung nach falschen Idealen folgen oder einfach, weil wir krank sind. Wir haben eine Krankheit, die im Zeitalter großer Visionen und einer Welt voller Technik und angeblichen Lebensidealen einfach unter den Tisch gekehrt wird.
Dabei gibt es diese Krankheit seit Jahrhunderten. Aber wir passen nicht in das Bild dieser „normalen“ Öffentlichkeit. Sicherlich, es hat sich schon einiges geändert. Betroffene helfen inzwischen Betroffenen. Stiftungen und Organisationen beschäftigen sich mit uns und unserer Erkrankung. Einer Erkrankung, die man nicht sehen und nicht anfassen kann. Warum wird jedoch nicht bzw. noch so wenig versucht uns zu verstehen und zu unterstützen? Zu unterstützen auf dem Weg zurück in die Gemeinschaft der Familie und Freunde? Stattdessen wird immer noch der Weg der Ignoranz und Stigmatisierung gewählt. Liebt ihr eure Angehörigen nicht mehr, weil Sie erkrankt sind? Weil Sie nicht in die „öffentliche Norm“ passen? Schämt Ihr euch für Sie? Könnten sie ein schlechtes Licht auf eure doch so „normale“ perfekte Familie werfen?
Wir haben Angst – ja Angst! Angst davor, dieser bescheuerten Norm nicht zu entsprechen. Angst davor, allein zu sein, denn unsere Familie hat uns verstoßen, statt zu helfen. Angst davor unsere wahren Gefühle zu zeigen, darum vergraben wir uns in uns selbst, verstecken uns! Verstecken uns vor Euch und der Welt! Es gibt jedoch Menschen, die uns unterstützen, da rauszukommen. Rauszukommen aus einer Welt der Dunkelheit, des Alleinseins, der Unverständnis! Meine eigene Familie, meine Freunde, meine Kollegen …… einfach der Kreis, der mir helfen und für mich da sein sollte, interessiert sich nicht dafür! Ist das Augenzumachen einfacher für Euch, das Wegsehen, die Ignoranz eines kranken Menschen!
Schämen sich Bluthochkranke, Diabetiker oder Betroffene mit Erkrankungen, die äußerlich nicht erkennbar sind auch? Ich denke nicht. Diese Krankheiten sind „normal“! Ich benötige solche Normen nicht! Nicht wir müssen uns schämen, weil wir unser Leben in der Krankheit leben, sondern die Menschen, die uns statt an unserer Seite zustehen, einfach ignorieren, weil es einfacher scheint. Weil wir nicht in das öffentliche Bild passen.
Ich bin krank, na und!
Davon habe ich die „Schnauze“ voll, dass kann ich nicht mehr ertragen. Darum haben wir uns Genesungsbegleiter, übrigens trotz Krankheit, aufgemacht, um anderen Betroffenen zu zeigen, dass es einen Weg aus der Krise gibt! Diesen Weg gibt es, fragt einmal Genesungsbegleiter in eurer Nähe. Es gibt sie inzwischen fast überall. Menschen die Euch verstehen, denn sie sind Experten aus Erfahrung mit diesen Erkrankungen und haben einen Ausweg gefunden.