2 Jahre sind wir nun da – ein kleines Resümee

Vor ein paar Tagen sind wir als Verein 2 Jahre alt geworden. Ich möchte nun einmal zurückschauen. Vor etwa 4 Jahren habe ich in der Tagesklinik Gotha eine GenesungsbegleiterIn kennengelernt. Ich muss dazu sagen, dass ich die Jahre davor mit einer schweren Depression zu kämpfen hatte. Ich habe meine Familie, meine Kinder und Enkel verloren. Ich habe die Krankheit nicht verstanden, mir selbst etwas vorgemacht. Wollte sogar nicht mehr leben. Eine schlimme Zeit. Ich kann diese Zeit nicht zurückdrehen. Leider.

Lange Wartezeiten auf einen Therapieplatz und Therapien, die eigentlich bis hierhin nicht geholfen hatten waren an der Tagesordnung. Es ist irgendwie auch eine „Krankheit des Systems“, dass Du als Betroffener ziemlich allein da stehst. Es ist verdammt schwer vertrauen zu fassen. Deine eigene Familie versteht Dich nicht. Ja eigentlich verstehst Du selbst dich nicht. Immer wieder hatte ich das Gefühl, dass ich nur eine Nummer wäre. Eine Nummer bei den Ärzten, eine Nummer in der Krankenkasse etc.! Es ist auch hinlänglich bekannt, dass das psychische Gesundheitssystem teilweise noch sehr veraltet und rückständig ist. Zum Glück findet derzeit ein kleiner Wandel statt. Es gibt jedoch immer noch Einrichtungen, die nach einem System aus der Steinzeit zu arbeiten scheinen. Leider auch in Thüringen.

Immer mehr Promis treten mit einem Bekenntnis einer Depression in die Öffentlichkeit. Dadurch bewegt sich endlich etwas. Einrichtungen, wie z.B. das ÖHK Pfaffenrode modernisieren ihren Arbeitsweise und gehen so wesentlich mehr auf die Betroffenen zu.

Betroffene sind auch wir. Unser Verein wird von Betroffenen geführt. Peers heißt das das „Zauberwort“! Betroffene helfen Betroffenen bzw. werden zu Experten aus Erfahrung. Diese Frau in der Tagesklinik Gotha hat in „meiner Sprache“, der Sprache eines Betroffenen gesprochen. Sie wusste, wie ich mich fühle. Auf Augenhöhe sind wir uns begegnet. Es war sofort eine Vertrauensbasis da.

Kurz nach meiner Entlassung aus der Tagesklinik habe ich mich zur Ausbildung angemeldet. Ein Jahr später wurde ich auch zu einem Genesungsbegleiter. Das war zugleich die Geburtsstunde unserer Arbeitsgruppe. Doch der Weg war steinig.

In Thüringen ist diese Tätigkeit noch relativ unbekannt, trotz der Arbeit des EX IN Landesverbandes in Erfurt. Ich musste erfahren, dass der Genesungsbegleiter kaum Anerkennung gefunden hatte. Viele Einrichtungen kannten diesen Tätigkeitsbereich noch gar nicht. Wir wollten mit unserem Verein einen anderen Weg gehen. Wertschätzung für die Tätigkeit ist uns wichtig. Darum möchten wir nicht irgendwo als 450 Euro-Kraft untergehen. Wir sind ein Bindeglied zwischen medizinischen Einrichtungen und Klienten. Wir sehen uns als Dolmetscher der Betroffenen. Selbstverständlich können wir mit unserer Ausbildung keine gleichwertige Anerkennung wie medizinische Fachkräfte oder Psychologen erfahren. Wir sind jedoch eine sinnvolle Ergänzung dieser Tätigkeiten. In der Regel stehen Betroffene nach einem Klinikaufenthalt wieder allein vor den Problemen, die ja immer noch da sind. Oft ist eine eingetretene Verbesserung des Zustandes dann schnell wieder hinfällig. Genau dort möchten wir mit unserer Arbeit ansetzen. Wir möchten genau diese Betroffenen auffangen, um sie auf ihrem Weg weiterhin zu begleiten. Wir bieten aber auch Alternativen an. Hilfe zur Selbsthilfe steht dabei im Vordergrund. Selbsthilfegruppen, Einzelgespräche bzw. -begleitungen, Freizeitaktivitäten und Seminare bieten dafür die Grundlage. Seit der Gründung haben über 40 Betroffene bei uns Hilfe gesucht. Einige haben für sich wieder einen Weg gefunden, vor allen Dingen einen Weg aus der Krise. In kleinen Selbsthilfegruppen, mit bis zu 6 Teilnehmern arbeiten wir sehr aktiv daran, einen individuellen Weg für unsere Klienten zu finden. Diese Gefühl mit dem „Monster Depression“ nicht mehr allein zu sein – ein Gefühl wieder zu leben, muss einfach wieder normal sein. Es ist sicher in vielen Fällen nicht möglich eine komplette Genesung zu erlangen. Mit der Depression leben zu lernen, auf Krisen reagieren zu können, ohne wegzubrechen muss das Ziel sein. Das bedeutet eine Lebensqualität zu erlangen, die das Leben wieder lebenswert macht.

Wir hatten bis hier hin auch viel Hilfe. Besonders bedanken möchten wir uns bei den Mitarbeitern der Teilhabezentren der Diakonie Gotha in Gotha und Waltershausen. In den ersten Monaten durften wir ihre Räume nutzen und haben dort viel von den Mitarbeiten im Umgang mit Betroffenen lernen dürfen.

Im Juni 2021 haben wir unsere eigene Begegnungsstätte in Gotha eröffnet. Dort konnten wir den Grundstein für eine bis heute reichende Arbeit legen. Inzwischen laufen bei uns regelmäßig 8 Selbsthilfegruppen. Erste Freizeitaktivitäten, wie „Kunst trifft Depression“ oder die in Kürze zugründende Reha-Sport-Abteilung laufen an. Es werden weitere Aktivitäten, wie „Sport trifft Depression“, Kurse mit Specksteinarbeiten, Häkeln, Malen, Yoga oder Musik werden folgen. Noch in diesem Monat wird der Grundstein für eine Paraboccia-Mannschaft gelegt, die dann auch an Meisterschaften über TBRSV teilnehmen wird.

Wir konnten und können Künstler gewinnen, die unsere Räume im Rahmen der Aktion „Kunst trifft Depression“ als Ausstellungsort nutzen. Wir waren mit 21 Betroffenen als Teilnehmer beim Patientenkongress in Frankfurt/Main dabei.

Im Moment bilden wir als eigenständiger Kooperationspartner von Ex-In-Deutschland e.V. eigene Genesungsbegleiter aus. Das sind Betroffene, die bei uns ihr Leben so weit stabilisiert haben, dass sie ihre Erfahrungen nun an andere Betroffene weitergeben möchten. Gibt es eine bessere Motivation, als es selbst aus einer Krise geschafft zu haben?

Selbstverständlich können wir nicht zaubern und jedem helfen. Es gehört viel Kraft und Mut dazu, sich seinen Ängsten und seiner Krise zu stellen. Wir möchten auch weiterhin dabei helfen, genau diesen Weg zu gehen. Selbstverständlich wird es auch immer wieder Betroffene geben, denen wir nicht helfen können, denn dazu gehört auch die Bereitschaft Änderungen in der Lebensweise vorzunehmen. Veränderungen zuzulassen heißt, etwas anders zu machen als bisher. Das kann schon mal richtig weh tun. Veränderungen tun schon einmal richtig weh. Die Krankheit jedoch viel mehr!

Am 14.01.2022 wurde auf Initiative unserer Arbeitsgruppe das Gothaer Bündnis gegen Depression gegründet. Damit sind wir das 88. Bündnis unter dem Dach der Deutschen Depressionshilfe. Ziel dieses Bündnisses ist es, Betroffenen gemeinsam mehr und schneller Möglichkeiten zu schaffen, wieder ein lebenswertes Leben führen zu können. Wir möchten daher Unternehmen und Institutionen einladen, uns in diesem Kampf gegen diese schreckliche Krankheit zu unterstützen.

Einige Unternehmen sind schon Partner geworden. Ganz besonders möchten wir dabei die DAK Gesundheit Gotha, die Diakonie Gotha, die SIT Gotha, das ÖHK Pfaffenrode und die Tageskliniken Gotha und Eisenach hervorheben.

Die wichtigste Botschaft, die wir vermitteln wollen, heißt: „Du bist mit deiner Krankheit nicht allein“!

Wir freuen uns schon jetzt auf viele weitere Jahre: für und mit Euch.